Die glücklichste Tante der Welt

     


    Mit spitzer Feder …


    (Bild: zVg)

    «Keine Kinder zu wollen» und «keine Kinder zu mögen» ist nicht dasselbe. Das möchte ich in dieser Kolumne zuallererst ganz dick unterstreichen. Ich habe vier kleine Neffen und bin die glücklichste Tante der Welt. Dies ist die Rolle meines Lebens und sie ist mir wie auf den Leib geschnitten. Mutter werden stand für mich nie zur Debatte und ich wusste schon früh, dass ich keine eigenen Kinder haben wollte. Und bis jetzt – wo meine biologische Uhr längst abgelaufen ist – bereue ich es keine Sekunde. Ich würde mich wieder für ein kinderloses Leben entscheiden. Ich habe während den letzten 30 Jahren kein einziges Mal an diesem Entscheid gezweifelt. Ebenso habe ich immer gute Erfahrungen mit meinem Entscheid gemacht, Entgegen den zahlreichen Aussagen von Frauen in den Medien, die sich für ihre Kinderlosigkeit rechtfertigen müssen, kritisiert werden oder gar als Egoistinnen hingestellt werden, habe ich nie solche Kommentare entgegennehmen müssen. Mal abgesehen von meiner verdrehten Mutter – aber das ist eine andere Geschichte.

    Frauen, die keine Mutter sein wollen, wird suggeriert, dass es ihnen an etwas mangelt. Wenn diese Frauen sich gegen Mutterschaft entscheiden, dann sollen sie zumindest ein bisschen traurig sein. Es muss das Bild aufrechterhalten werden, Frauen würden etwas aufgeben, um sich ihrem Beruf widmen zu können. Oder sie würden ihr Leben aktiv gestalten mit Reisen, Konzerten, Partys, Shopping, Wellness, Kultur etc., um die Lücke der Kinderlosigkeit zu füllen. Auch solche Aussagen prallen bis heute immer an mir ab. Doch der Mainstream unserer Gesellschaft im 21. Jahrhundert funktioniert nun einfach so, dass Frauen ohne Kinder irgendwie nicht den Anforderungen der Gesellschaft entsprechen. Ich finde es absolut legitim, keine eigenen Kinder zu wollen und einen Lebensentwurf ohne Kinder, Holzzüge und Bananenschalen zu wählen. Im Gegenteil, ich halte es für eine der grössten Errungenschaften unserer individualisierten Gesellschaft, dass wir Wahlfreiheit haben und weder zur Reproduktion noch zur Care Arbeit gezwungen werden können. Und ich finde es auch sehr legitim, diese Entscheidung immer wieder zu betonen. Weil ein kinderloser Lebensentwurf, insbesondere bei Menschen mit Uterus, immer noch viel zu wenig Anerkennung bekommt.

    Ich bin die Älteste von vier Kindern. Nach meinem drei Jahre jüngeren Bruder bekam ich mit sieben Jahr noch zwei Zwillingsschwestern geschenkt – sie sind bis heute das grösste Glück für mich. Meine überforderte Mutter drückte mir eines der Babys in die Arme und von da an galt es, den Schoppen zu füttern, Windeln zu wechseln, zu hegen und pflegen. Ich machte es gerne, aber ich spürte – notabene aus der Perspektive eines Kindes – die unendlich grosse Verantwortung. Das hat mich geprägt: Für mich war bald klar, Kinder will ich nie haben. Dies ist aber nicht der einzige Grund. Ebenso war ich mit meiner filigranen Seele und einem psychosomatischen Körper nicht bereit, mir eine Schwangerschaft, geschweige eine Geburt anzutun. Denn jede Geburt leitet unweigerlich beim weiblichen Körper die stetig fortschreitende Erosion ein. Es tönt jetzt egoistisch, ist aber einfach ehrlich: Meine Taille oder gar Gesundheit wollte ich nicht für einen neuen Erdenbürger aufs Spiel setzen. Doch der Hauptgrund ist sicherlich meine Unabhängigkeit und Freiheit: Ich war nicht bereit, morgens um halb acht bei Nieselregen auf dem Spielplatz zu verbringen, jederzeit verfügbar zu sein oder bei der Arbeit heimlich auf dem Klo eine SMS an meine Kinder zu schicken und ihre Streitereien zu managen. Kochen, Putzen, Nähen, Flicken, Rennen, Hetzen etc. sind zudem nun mal einfach nicht meine Kernkompetenzen. Ich mag es gemütlich, benötige meine Struktur, meine Ruhephasen, meine Pausen und bin zudem gerne selber noch ein Kind. Letzteres kommt mir hingegen als Tante sehr entgegen. Ich liebe Kinder und bin meinen Schwestern wie auch allen anderen Müttern dankbar, dass sie nicht gleich denken wie ich – denn sonst würde die Menschheit ja aussterben. Ebenso ziehe ich den Hut vor allen, die junge Menschen für das Leben vorbereiten – das ist eine wichtige, sinnvolle, herausfordernde und grossartige Leistung.

    Wie auch immer, es gibt nichts Schöneres als glänzende Kinderaugen, ihr Lachen, ihre Fragen und ihre Lebensfreude. In diesem Sinne freue ich mich über jede Stunde, die ich mit meinen vier Neffen verbringen darf.

    Herzlichst,
    Ihre Corinne Remund
    Verlagsredaktorin

    Vorheriger ArtikelTransaktionsanalyse – spannendes, oft unterschätztes Thema
    Nächster ArtikelTradition, Technik und Natur