Die Griechen der Antike waren geniale Architekten und Ingenieure

    Die Wiegen unserer Zivilisation entdecken

    Vor über 3’500 Jahren entstand auf dem Peloponnes die mykenische Kultur. Es war die erste Hochkultur auf dem europäischen Festland. Mykene hat ihre Spuren hinterlassen und kann durchaus als eine der Wiegen unserer Zivilisation bezeichnet werden. Die eindrückliche Stätte wurde bereits im Jahr 1999 ins Weltkulturerbe der UNESCO aufgenommen.

    (Bilder: Hervé Dubois) Die Königsgräber sind kreisförmig angelegt.

    Die Ruinenstadt von Mykene befindet sich auf dem Peloponnes, rund 120 Kilometer südwestlich von Athen entfernt. Die Route führt über den legendären Kanal von Korinth, der sich zwischen den Peloponnes und dem restlichen griechischen Festland zwängt. Der nur 6,3 Kilometer lange Kanal hat zwar an Bedeutung massiv eingebüsst, bleibt aber allemal durch die geringe Breite und die schwindelerregende Höhe eine touristische Attraktion.

    Die eigentliche Stätte befindet sich knapp zwei Kilometer ausserhalb des heutigen Dorfes Mykines. Die gewaltigen Mauern der rund 3’500 alten Burg entdeckt man erst, wenn man ein paar hundert Meter davor steht. Sie lassen sich vom eigentlichen Felshügel farblich und strukturell nämlich kaum unterscheiden. Die Überreste dieser Hochkultur sind zum Teil erstaunlich gut erhalten. Der Besucher kann sich ein konkretes Bild der antiken Stadt machen.

    Kyklopisches Mauerwerk
    Nirgendwo anders ist die kyklopische Baukunst besser zu bestaunen wie in Mykene. Die 900 Meter lange Mauer der mykenischen Festung besteht aus unbehauenen Steinblöcken unterschiedlicher Grössen mit unregelmässigen Umrissen, die ohne Bindemittel zusammengefügt sind – Zement kannte man damals nicht. Die kleinen Lücken wurden mit Steinen und Lehm ausgefüllt.

    Das 13,5 Meter hohe Tor zum Arteus- Kuppelgrab mit ausgespartem Entlastungsdreieck.

    Ein Zeuge des hohen Niveaus der mykenischen Baukunst bildet das gut erhaltene, weltberühmte Löwentor, dem Haupteingang zur antiken Stadt. Es besteht aus vier schweren Monolithen. Allein der Türblock wiegt rund 20 Tonnen! Darüber ist das typisch mykenische Entlastungsdreieck ausgespart, das mit einem Löwenrelief ausgefüllt ist. Andernorts, wie am Eingang des Arteus-Kuppelgrabs, wurde das Entlastungsdreieck ersatzlos ausgespart, es blieb also frei respektive offen. Mit dieser Technik wird der Druck des enormen Gewichts der Steinblöcke, die sich oberhalb der Toröffnung befinden, auf die seitlichen Mauern umgeleitet. Ohne das Entlastungsdreieck würde das Tor bald einmal einstürzen. Eine phantastische Ingenieurleistung, wenn man bedenkt, dass diese Tore seit rund 3’500 Jahren bestehen und nach wie vor absolut stabil sind! Wie die alten Griechen die Steinblöcke herumschieben und aufsetzen konnten, ist hingegen bis heute noch unklar.

    Das Relief, welches das Entlastungsdreieck des Löwentors ausfüllt, ist europaweit einzigartig. Es zeigt zwei Löwen, die sich an einer mykenischen Säule aufrichten. Es fehlen nur die Köpfe der Löwen. Sie waren wohl aus Silber oder Bronze angefertigt und wurden beim Niedergang Mykenes vermutlich geraubt. Das ansonsten bestens erhaltene Löwenrelief gilt als älteste Monumentalplastik Europas.

    Totenmaske Agamemnons
    Zu Mykene gehören auch die Königsgräber, die vor 140 Jahren freigelegt wurden. Darin wurden Goldschätze mit einem Gewicht von sagenhaften 14 Kilogramm gefunden. Darunter auch die Totenmaske des Königs Agamemnon, Sohn des Arteus und legendärer Anführer der Griechen im trojanischen Krieg. Ein Teil der Schätze –wie die eben erwähnte Totenmaske – ist im Archäologischen Nationalmuseum in Athen ausgestellt, andere Funde im kleinen, aber feinen Museum von Mykene.

    In Mykene gab es zudem ein Palast, ein Hera-Tempel sowie eine bis heute gut erhaltene Brunnenkammer, welche die Wasserversorgung der Stadt sicherstellte. Diese ist Bestandteil eines ebenfalls absolut genialen, rund 3’500 Jahre alten Systems. Von Palast und Tempel ist hingegen nicht mehr viel zu erkennen. Sehenswert ist der Gräberkreis, wo nebst Skeletten und Waffen auch Schmuck und Totenmasken aus dem 16. Jahrhundert v. Chr. ausgegraben wurden. Und schliesslich die famosen Kuppelgräber. Das als «Schatzhaus» bezeichnete Kuppelgrab des Herrschers Arteus  Sohn des Pelops, der dem Peloponnes den Namen gab – ist imposant und bestens erhalten. Es befindet sich etwas ausserhalb der eigentlichen Festung.

    Brunnen der Wasserversorgung.

    Die Grenzen zum Mythos
    Wie die verschiedenen Theorien um die Totenmaske des Agamemnon zeigen, ist die Grenze zwischen Mythos und Historie bei den alten Griechen nicht immer einfach zu ziehen. Umso mehr, als die geschichtlichen Vorgänge dieser Zeit oft unklar sind. So weiss man beispielsweise nicht, ob die mykenischen Staaten autonom waren oder Teile eines übergeordneten Reiches mit Zentrum in Mykene oder gar in Theben. Sicher ist hingegen, dass mykenische Erzeugnisse weit im Orient und in Europa bis fast an die heutige Schweizer Grenze verbreitet waren. So wurden Funde mykenischer Keramik in Sizilien, Apulien, Istrien und in der Poebene gemacht.

    Der Niedergang
    Nach dem 12. Jahrhundert v. Chr. begann der Niedergang der mykenischen Hochkultur. Viele Zentren wurden zerstört. Die Kultur blieb zwar grundsätzlich erhalten, aber auf ziemlich niedrigem Niveau. Die Gründe für den Niedergang sind nicht eindeutig und dürften vielfältig gewesen sein. Angriffe der immer wieder erwähnten, aber nicht näher definierbaren «Seevölker» sowie eine allgemeine Unruheperiode im Orient, die zu einer Ressourcenknappheit geführt, was wiederum Verteilungskämpfe ausgelöst haben könnte, werden als wahrscheinlichste Ursachen angenommen. Dazu ist von einem gewaltigen Erdbeben auszugehen, das die Zerstörung zahlreicher Siedlungen herbeigeführt haben dürfte.

    Die verblüffenden Errungenschaften der mykenischen Hochkultur gingen verloren. Für Jahrtausende. Dennoch haben sie Spuren hinterlassen und wohl unsere Zivilisation in Europa geprägt. Und damit auch uns. Mykene sollte also selbst uns Schweizern eigentlich gar nicht so fern und fremd erscheinen….

    Hervé Dubois

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